Bei den Esten im Westen

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Bei den Esten im Westen

Tallinn und Saaremaa / Estland (2015)





Einleitung

Nach paar Wochen Urlaubsabstinenz im Juni 2015 schaute ich auf eine Landkarte und wollte ein neues Ziel für eine Wochenendreise finden. Schnell sah ich die große Insel Saaremaa in Estland und war in kurzer Zeit überzeugt, dass ich da mal hin will.

Da ich noch nie in Estland, geschweige denn in Tallinn war, wurde die Hauptstadt einbezogen. Hotels mit guten Bewertungen waren schnell gefunden und der Flug auf die Insel kostete nur 20 € pro Strecke, schnell wurde gebucht und die Reiseplanung abgeschlossen.

Gute Wettervorhersagen steigerten die Vorfreude auf den vier Tage langen Ausflug. Nach der Landung des Lufthansa-Fluges machte der kleine aber feine Flughafen von Tallinn einen guten Eintrug. Unkompliziert saß ich schnell im Taxi in Richtung Stadtmitte und freute mich auf die Besichtigung eines neuen Landes. Eine Taximafia gibt es zum Glück nicht, die Fahrt kostete weniger als 10 €.


Tallinn

Das von mir gewählte Hotel Palace erwies sich als Glücksgriff, das Zimmer war sehr leise und sauber und die Altstadt ist nur ein Steinwurf entfernt. Der einzige Nachteil der Reise stellte sich nach der ersten Besichtigung der Old Town schnell heraus, die Stadt wird von Touristen belagert. Ryanair & Co sorgen für eine europäisch flächendeckende Bedienung und zusätzlich sind im Sommer täglich mehrere Kreuzfahrtschiffe vor Ort. An markanten Stellen ist in Stoßzeiten ein Gedrängel von Gästegruppen, zum Glück kann man aber als Individual-Tourist schnell ausweichen und ist eine Gasse weiter allein in einer malerischen Umgebung.

Tallinn hatte mir auf Anhieb gefallen. Das Stadtbild ist wunderschön und wurde von Dänen, Deutsche, Schweden und Russen als wechselnde Herrscher geprägt. Der aufwendig restaurierte mittelalterliche Stadtkern setzte die UNESCO 1997 auf die Liste des Weltkulturerbes.

Das Rathaus und der davor liegende Marktplatz ist das belebte Zentrum in der sogenannten Unterstadt. Natürlich gibt es dort eine große Auswahl an Gastronomie, und schnell hatte ich Hunger und Durst. Umgehend war mir klar, dass die Lage schamhaft ausgenutzt wird, die Preise waren astronomisch hoch für die Verhältnisse in Estland.

Ein Bär muss nicht unbedingt sein zum Essen, wobei ich gar nicht wissen möchte, ob das innerhalb der EU überhaupt legal ist:



Ich fand schnell abseits von Raubtieren, aufdringlichen Drückern und Nachtbarpreisen eine gute Alternative, das Restaurant Alte Hansa. Das war ein Touristentreff, aber man konnte draußen angenehm sitzen und der Schinken vom Rentier, der geräucherte Lachs und das Honigbier waren ausgezeichnet.





Vor dem Nachtleben wurde ich im Hotel gewarnt, es würde oft zu Schlägereien unter den Besoffenen kommen. Bis diese den Zustand hatten, war ich wieder in meinem Zimmer und hatte keinerlei Probleme. Bei einer Vielzahl von Bars und Pubs war die Auswahl schwer. Ich machte eine kleine Kneipentour, die mich unter anderem in das Beer House führten, mit deutscher Blasmusik, japanischen Touristen und plump getarnten und bezahlten Animateure im Publikum. Es war sehenswert und unterhaltsam.

Am nächsten Tag führte ich meine Besuche weiter, die sehr sehenswerte Alexander-Newski-Kathedrale ist weitaus sichtbar und eine Landmarke der estnischen Hauptstadt:


Alexander-Newski-Kathedrale / Tallinn / Estland


Alexander-Newski-Kathedrale / Tallinn / Estland


Alexander-Newski-Kathedrale / Tallinn / Estland

Ein weiterer Höhepunkt war die geführte Tour durch den Untergrund von Tallinn, der je nach dem Umstand im Land unterschiedliche Verwendung fand. Die Nutzung in den hunderten Jahren seit der Erbauung wurde interessant erläutert und demonstriert, ob er als Luftschutzkeller diente oder in den Achtzigerjahren als Treffpunkt der Punkmusiker.


Unterwegs im Untergrund von Tallinn / Estland


Unterwegs im Untergrund von Tallinn / Estland


Zinni im Untergrundzug von Tallinn / Estland

Eine sehr interessante Stadt und ich hatte weitaus nicht alle Höhepunkte gesehen, vielleicht wäre ein Tag mehr Aufenthalt sinnvoller gewesen. So habe ich aber einen Grund, noch einmal dort hinzufliegen.


Der Marktplatz von Tallinn / Estland


Der Marktplatz von Tallinn / Estland


Turm Pikk Hermann in Tallinn / Estland


Blick auf Tallinn / Estland


Tallinner Stadtmauer / Estland


Zinni an der Tallinner Stadtmauer / Estland


Blick auf Tallinn / Estland


Kiek in de Kök / Tallinn / Estland



Ein Stadtbummel durch Kuressaare

Am Nachmittag ging es mit meinem 20 € Flug auf die Insel Saaremaa. Einer der Kapitäne verteilte Bonbons und während des Fluges blieb die Cockpittür in der kleinen Maschine offen, was zu einem kleinen Gespräch mit der Crew führte. Wie das Unternehmen bei den achtzehn Plätzen und den Preisen auf ihre Kosten kommen will, blieb mir verborgen. Nach dem kurzen Flug, bei dem ich leider wegen Wolken keine gute Sicht hatte:


Flug von Tallinn nach Saaremaa / Estland


Flughafen Saaremaa / Estland

nahm ich mir ein Taxi und fuhr in mein gebuchtes Georg Ots Spa Hotel auf Kuressaare, der größte Ort auf der 2672 km² großen Insel:


Georg Ots Spa Hotel in Kuressaare


An der Promenade von Kuressaare / Estland

Die Buchung dort hatte ich nicht bereut. Das Personal war nett, die Zimmer sauber und ruhig und die Lage schön. Vor dort ist man schnell in der Innenstadt. Unübersehbar ist die Bischofsburg, die vom Deutschen Orden im Jahr 1380 errichtet wurde. Sie liegt inmitten eines Parks und ist die einzige vollkommen erhalten gebliebene mittelalterliche Burg im Baltikum. Bei mir glänzte sie zusätzlich in der Sonne mit traumhaften Spiegelungen, was zu wunderschönen Fotomotiven führte.


Bischofsburg von Kuressaare / Estland


Bischofsburg von Kuressaare / Estland


Bischofsburg von Kuressaare / Estland


Bischofsburg von Kuressaare / Estland


An der Bischofsburg von Kuressaare / Estland


Bischofsburg von Kuressaare / Estland

Kuressaare macht einen netten Eintrug auf mich, mit seinen sympathischen Einwohnern.

Durch die Erkundung war ich hungrig und ging ins Saaremaa Veski, eine zum Restaurant umgebaute Windmühle, die mir von den Hotelmitarbeitern empfohlen wurde. Gar nicht nett waren die Bedienungen, ich wurde einfach nicht bedient, warum auch immer. Auch der Nachbartisch wunderte sich darüber. Auf einmal platzte mir der Kragen und ich ging wieder. Die Entscheidung hatte sich als Glücksgriff erwiesen, denn das nun ausgesuchte Gasthaus Ku-Kuu im Kursaal des Ortes erwies sich als Glücksgriff. Eine perfekte Bedienung und ein klasse gebratener Hornhecht machten den Abend nach den Pfeifen in der Windmühle doch noch gelungen.



Ich wollte zwei Tagesausflüge bei einem Taxiunternehmen buchen, wo ich im Vorfeld Informationen über die angebotenen Touren hatte. Leider war der Fahrer telefonisch nicht zu erreichen, er war nicht im Lande. So lief ich ins örtliche Touristenbüro und wurde von einer sehr freundlichen und kompetenten Mitarbeiterin begrüßt. Sie meinte, dass ich Probleme bekommen würde, da die Taxi-Kollegen so lange Fahrten für diesen Preis nicht annehmen. Ich sollte mir doch ein Auto mieten, das wäre doch viel einfacher und billiger. Ich dachte im Vorfeld, dass am Wochenende kein Leihwagen zu mieten war, dem war aber nicht so. Gesagt, getan, kurze Zeit später saß ich in einem 180 000 Kilometer alten Volvo (der gut lief, aber sauberer hätte sein können) und begann meine zweitägige Inseltour.



Unterwegs in Saaremaa

Die Fahrt über die Insel war sehr einfach. Es gibt nicht viele Straßen und es war bei mir wenig Verkehr. Unterschätzen sollte man die Entfernungen nicht, es dauert schon etwas, bis man von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten kommt, immerhin hat Saaremaa 2672 km². Den Osten konnte ich mir aus Zeitgründen in den zwei Tagen mir nicht ansehen.

Besucht hatte ich die folgenden Ziele:

Kratersee Kaali:

Der ca. 7500 Jahre alte kreisrunde Kratersee wurde in der Vergangenheit als heiliger Ort angesehen und war die Stätte unzähliger ritualer Opfer. Er hat einen Durchmesser von 110 m und ist 22 m tief. Viel machen kann man nicht, aber der See wirkt skurril und ich empfand ihn interessant:


Kaali Meteoritenkraterfeld auf Saaremaa / Estland

Windmühlenpark Angla:

Sie sind die berühmtesten Windmühlen auf der Insel, sogenannte Bockmühlen. Im Jahr 1925 hatten hier neun Windmühlen gestanden, nun sind es noch fünf, die alle sehenswert sind und oft fotografiert werden.


Windmühlenpark Angla / Saaremaa / Estland


Windmühlenpark Angla / Saaremaa / Estland

Panga Klippen:

Eines der wenigen Steilufer der ansonsten flachen Insel. Hier fällt die Küste teils 20 Meter ab, was aber nicht gut zu sehen war, wenn man von oben herabschaut. Der Aussichtsturm war geschlossen und die Kletterei an einem Seil herab in Richtung Strand zu anstrengend und wirkte mir etwas gefährlich. Das Gebiet wurde oft gelobt, ich konnte nicht viel damit anfangen.


Panga Klippen/ Saaremaa / Estland


Panga Klippen/ Saaremaa / Estland

Leuchtturm Sääre:

An der Südspitze der Halbinsel Sõrve befindet sich beim Dorf Sääre (mittlerweile ohne Einwohner), ein im Jahr 1960 errichteter Leuchtturm aus Stahlbeton, der 52 Meter hoch ist. Ich spazierte dort an einem Strand entlang, der wie auf der Insel oft mit vielen künstlichen Steinhaufen geziert war, was Glück für den Erbauer bringen sollen. Der Gang durch die schöne Natur machte Spaß und ein Bad im Meer wäre möglich gewesen, auf das ich aber dankend verzichtet hatte.


Leuchtturm Sääre / Estland


Leuchtturm Sääre / Estland

Bauernhofmuseum Mihkli:

Im Dorf Malvaste liegt eines der gut erhaltenen Bauernhofkomplexe der Insel, der bereits im Februar 1959 gegründet wurde. Die Mehrheit der Gebäude wurde ringförmig um einen Hof aufgestellt und demonstriert die traditionellen Lebens- und Arbeitsweisen eines typischen Bauernhofes.


Bauernhofmuseum Mihkli / Insel Saaremaa / Estland


Bauernhofmuseum Mihkli / Insel Saaremaa / Estland

Naturschutzgebiet Viidumäe:

Als Abschluss wanderte ich noch eine Weile durch das Naturschutzgebiet Viidumäe. Gut markierte Pfade führen durch eine unberührte Waldlandschaft mit unterschiedlichen Typen. Einzig in der Welt gibt es dort endemische Klappertöpfe, Alpen-Fettkraute und die echte Mehlbeere, entdeckt hatte ich nichts von dem, weil ich keinen Plan hatte, wie so etwas aussieht. Der Aussichtsturm war geöffnet und ich gönnte mir als Abschied einen tollen Blick über die Wälder der Insel.


Naturschutzgebiet Viidumäe / Estland


Aussichtsturm Raunamäe / Naturschutzgebiet Viidumäe / Estland


Naturschutzgebiet Viidumäe / Estland


Naturschutzgebiet Viidumäe / Estland

Weitere Impressionen von der Insel:


Insel Saaremaa / Estland


Insel Saaremaa / Estland


Insel Saaremaa / Estland


Insel Saaremaa / Estland


Insel Saaremaa / Estland


Zinnis 180.000 Kilometer Auto & die St. Michael's Kirche / Kihelkonna / Estland



Der Rückflug und das Fazit

Nach den beiden schönen Tagen flog ich abends wieder nach Tallinn zurück. Da der Flug erst spät gelandet war, fuhr ich nicht mehr in die Innenstadt, sondern nahm das vom Flughafen schnell nach einem kurzen Fußweg erreichbare Hotel Ülemiste. Das Zimmer war gut, das Essen leider nicht so. Die Ribs waren mir zu roh und fett. Nach einer kurzen Nacht flog ich frühmorgens mit der Lufthansa zurück nach Frankfurt am Main.

Der Trip war besser, als ich ihn erwartet hatte, auch weil das Wetter super war. Mit etwas weniger Besuchern wäre Tallinn klasse, aber so richtig gestört hatten sie nicht. Die Insel Saaremaa ist toll, hat unberührte Landschaften und es gibt keinen Rummel. Naturliebhaber werden sie lieben.

Ich kann mir gut vorstellen wieder nach Estland, vielleicht zu einer längeren Autorundreise, mal sehen. Empfehlen kann ich es auf jeden Fall nach dem, was ich in dieser kurzen Zeit gesehen und erlebt hatte.

Danke für das Lesen und baltische Grüße

Gerald


Blick auf Tallinn / Estland